Die Eheanbahnung kennt in der Antike unterschiedliche Traditionen. Eine besonders ungewöhnliche wurde in Sparta praktiziert. Heiratswillige Jünglinge und Mädchen wurden in ein dunkles Zimmer eingeschlossen. Im Dunklen tasteten sich die beiden Parteien aneinander heran.
Es galt die Regel, dass der Jüngling jene heiraten musste, die er zuerst berührt hatte. Diese Methode barg natürlich leicht vorstellbare Risiken, und die zufällige Wahl entpuppte sich als große Enttäuschung. Ebenfalls aus Sparta stammt der Brauch, dass alle heiratsfähigen Jünglinge einmal im Jahr zusammenkommen mussten und von den jungen Frauen mit Ruten geschlagen wurden. Der Reiz, sich schnellstmöglich zu verheiraten, wurde auf diese Weise ungemein gesteigert. In späterer Zeit - so berichtet Plutarch - fanden sich neue Mittel der Eheanbahnung, nämlich eigens inszenierte Festzüge und Wettbewerbe. Plutarch sagt darüber:
"Diese Festzüge der Mädchen, ihre Entblößung dabei und bei ihren Wettkämpfen
geschah vor den Augen der jungen Männer, die aus erotischen Motiven sich als
Zuschauer einfanden."
Brunnenhaus mit badenden Mädchen.
Schwarzfiguriges Vasenbild. VI. Jahrhundert v.Chr. Berlin, Antiquarium
Den Jünglingen sollte auf diese Weise Lust gemacht werden, aus den entzückenden nackten Erscheinungen ihre zukünftige Gattin zu küren.
Die Ehe verfolgte in erster Linie ein Ziel: die Sicherung des Nachwuchses. Plutarch weiß von der, auch für das übrige Griechenland ungewöhnlichen, spartanischen Sitte zu berichten, dass der Mann seine ehelichen Rechte einem sexuell Stärkeren, von dem er besonders schöne und kräftige Kinder erwarten konnte, vorübergehend abtrat, ohne dass dadurch die Ehe getrübt worden wäre. Man wird Plutarch beistimmen müssen, wenn er die spartanische Ehe mit einem Gestüt vergleicht, bei dem es nur darauf ankommt, eine möglichst zahlreiche und rassentüchtige Nachkommenschaft zu erzielen.
Liebesszene am Brunnen.
Schwarzfiguriges Vasenbild.VI.Jahrh.v.Chr. Berlin Antiquarium
Auch wenn die Norm die männliche Dominanz vorsah, heißt das noch nicht, dass es nicht "Regelverstöße" gab. "Hausdrachen" waren keine Seltenheit, weiß doch bereits die Mythologie - ein zuverlässger Spiegel der Volksseele - von einem solchen Fall. Die Rede ist von der lydischen Königin Omphale, die den größten und herrlichsten der griechischen Helden, den Herakles, zu unterwerfen wusste, so dass er mit dem Frauengewand bekleidet zu ihren Füßen weibliche Arbeiten verrichtete, während sie über dem zu ihren Füßen Kauernden die Keule schwang und ihren Pantoffel auf den gewaltigen Nacken setzte. So wurde der Pantoffel zum Symbol, und daraus erklärt sich die noch heute - berechtigt oder nicht - übliche Redensart von dem beklagenswerten Ehemann, der unter dem Pantoffel steht. Der Pantoffel war das Züchtigungsmittel, dessen sich rabiate Ehefrauen bedienten, um ihren Mann Respekt zu lehren, was um so praktischer war, als der sandalenschlurfenden Gattin die Pantoffeln jeder Zeit zur Verfügung standen. In diesem Zusammenhang sind wohl die zahlreichen literarischen Zeugnisse zu sehen, die sich auf komödienhafte Weise über die Dummheit der Eheschließung und über die Last der Ehefrau auslassen. Von dem Lustspieldichter Eubulos sind die folgenden Verse überliefert:
Dem Manne Fluch, der sich ein zweites Weib
Gefreit. Das erstemal, da war er ohne Schuld
Und kannte freilich noch den faulen Zauber nicht.
Dann musst' er wissen, welch ein Übel Weiber sind."
An solchen Sarkasmen ist die antike Komödie reich. Beispielhaft sei das Gespräch zweier Freunde aus einer Komödie des Antiphanes erwähnt:
"Er hat also geheiratet!" - "Was du nicht sagst! Ist's möglich, gestern war er doch noch
ganz gesund!"
Oder die Verse:
"Dem Weibe trau' ich nur in einem einz'gen Punkt,
Dass nach dem Tod es nicht von neuem leben wird,
In allen andern trau' ich miss, bis dass es stirbt." -
"Der Mensch, dem schwer erkrankt die Augen sind, viel Pein
Erleidet er, doch ist dabei dies eine Glück,
Dass er in dieser Zeit kein Weib zu blicken braucht."
Der Sinn der Ehe wurde nicht zuletzt dadurch untergraben, als das Fremdgehen des Gatten kein Thema war. Das bedeutet nicht, das diese Praxis nicht bestanden hätte, sondern vielmehr in der Öffentlichkeit kein Aufsehen erregte und als normal akzeptiert wurde. Von Untreue, wie wir das nennen, kann bei einem Griechen schon deshalb nicht gesprochen werden, weil kein Mann je auf die Idee gekommen wäre, dass die Verheiratung zugleich den Verzicht auf ästhetische Genüsse bedeute und noch weniger die griechische Frau das von ihrem Manne je erwartet hätte.